Der Beginn unserer Reise

„Zwischen Kreißsaal und Warteraum: Wie unser Sohn Benjamin kam und ging“

Es gibt Momente im Leben, auf die kann einen kein Ratgeber vorbereiten. Kein Schwangerschaftsbuch, keine Checkliste für das Wochenbett, kein Elternforum im Internet. Einer dieser Momente war die Geburt unseres ersten Kindes – unseres Sternenkindes – Benjamin.

Er kam in der 15. Schwangerschaftswoche zur Welt. Viel zu früh. Und doch genau zur richtigen Zeit, denn so hat er uns gezeigt, was Liebe wirklich bedeutet. Auch wenn er nur kurz bei uns war.

Ein Bauchgefühl, das mehr wusste als ich

Der Tag begann eigentlich wie jeder andere. Ich war arbeiten, versuchte mich auf meine Aufgaben zu konzentrieren – aber irgendwie war da dieses Gefühl. So ein mulmiges Bauchgefühl. Das kann ja mal vorkommen, dachte ich mir. Vielleicht einfach zu wenig geschlafen, vielleicht auch nur die Mutterbänder, die sich dehnen. Das Ziehen im Unterleib wurde zwar nicht richtig schlimm, aber es blieb. So eine Art körperliches Fragezeichen.

Abends auf der Couch, noch immer mit diesem unguten Ziehen, griff ich zum Magnesium – mein Allheilmittel für alles, was zwischen Nabel und Schambein stattfindet. Aber es half nicht. Und dann kam der Moment, in dem mir auffiel: Die Schmerzen waren nicht mehr diffus. Sie kamen und gingen. Regelmäßig.

„Wehen? Jetzt schon? Unmöglich!“

Ich sprach mit meinem Mann. Wir wiegten Möglichkeiten ab, aber als dann auch noch eine leichte Blutspur auftauchte, war die Entscheidung schnell gefallen: ab ins Krankenhaus. Nur zur Sicherheit. Man will ja nicht überreagieren, aber… das Gefühl war einfach zu deutlich.

In der Notaufnahme wurden wir leider nicht gerade mit offenen Armen empfangen. „Ob ich gerade Schmerzen hätte?“ fragte man mich. Ich verneinte – es war ja gerade wieder eine dieser Pausen. Daraufhin hieß es sinngemäß: *„Wenn Sie jetzt gerade keine Schmerzen haben, kann’s ja nicht so schlimm sein. Setzen Sie sich mal wieder.“*

Spoiler: Es war schlimm. Und es war sehr wohl möglich, in der 15. Schwangerschaftswoche Wehen zu haben. Mein Körper wusste es. Mein Herz wusste es. Aber in dem Moment wusste es offensichtlich nur mein Mann – und ich.

Warten…worauf?

Wir warteten. Und warteten. Die Wehen kamen regelmäßiger. Ich klingelte erneut. Und wurde erneut abgewimmelt – diesmal mit dem Hinweis, ich solle mich *„nicht so anstellen“*. Ja, das hat sie wirklich gesagt.

Irgendwann begannen mein Mann und ich, über das Undenkbare zu sprechen. Über das, was kommen könnte. Darüber, wie wir Abschied nehmen wollten. Wie wir es gemeinsam schaffen würden. Klingt merkwürdig rational? War es nicht. Es war Liebe. Klarheit. Und ein bisschen Selbstschutz.

Dann kam der Moment der Wahrheit. Eine Wehe – stärker als alle zuvor – und plötzlich: ein Blasensprung. Mitten im Warteraum. Und mit ihm ein ganzes Meer an Emotionen. Angst. Wut. Trauer. Und ein Gefühl von „Ich hab’s euch doch gesagt.“

Wieder klingeln. Wieder dieselbe Stimme. Diesmal mit dem Tipp: *„Gehen Sie mal auf die Toilette. Wahrscheinlich haben Sie sich nur eingenässt.“* Inzwischen war nicht nur ich fassungslos, sondern auch die anderen Wartenden. Ein bisschen kollektive Solidarität im schlimmsten Moment meines Lebens.

Mit Hilfe meiner Schwester – einer ehemaligen Mitarbeiterin auf der Station – kam endlich Bewegung in die Sache. Plötzlich ging alles schnell. Untersuchung. Ärztin. Ein halbes Fußballteam an Medizinstudierenden. Und endlich die Worte: *„Ja, Sie haben tatsächlich einen Blasensprung gehabt. Und Wehen. Und Muttermundöffnung. Und… oh.“*

Ich blickte sie an und sagte nur: *„Bitte erzählen Sie mir nicht, dass noch was zu retten ist. Ich habe seit Stunden Wehen. Ich weiß, dass unser Kind kommt.“* Sie wirkte schockiert von meiner Klarheit, aber ich konnte nicht anders. Es war meine Realität.

Die Geburt – ein Moment voller Liebe

Mein Mann kam dazu. Ich lag auf der Untersuchungsliege. Die Ärztin sprach von Stunden. Ich sagte nur: *„Es wird jetzt passieren. Darf ich meine Unterhose ausziehen?“* Ihr Blick war Gold wert. Zwischen Entsetzen, Staunen und purer Überforderung.

Und dann kam Benjamin. Ganz ruhig. Ganz friedlich. Ganz unser Sohn.

Wir hielten ihn im Arm. Sahen ihm beim Atmen zu. Ja, er atmete. Ein paar kleine Züge. Und dann schlief er ein. In unseren Armen. In Liebe.

Trauer, die nicht schreit – sondern liebt

Wir waren traurig. Natürlich. Aber auch voller Glück. Voller Staunen. Benjamin sah aus wie mein Mann. Und ein kleines bisschen wie ich. Und ganz wie er selbst. Die Ärztin war so bewegt, dass sie meinte, sie hätte noch nie ein so starkes, ruhiges Paar erlebt.

Ich sagte nur: *„Natürlich sind wir traurig. Aber eine Szene zu machen bringt ihn nicht zurück. Wir wollen ihm lieber jede Sekunde schenken, die wir mit ihm haben.“*

Danach

Wir kamen auf ein eigenes Zimmer. Ein Ort des Abschieds – aber auch der Stille. Es wurde noch medizinisch nachversorgt. Die Nachgeburt kam nicht vollständig, es folgte eine Kürettage. Aber das war nicht mehr der Kern der Geschichte.

Der Kern war Benjamin.

Was bleibt

Heute – im Rückblick – weiß ich: Unsere Gespräche im Warteraum, unsere Klarheit, unser gemeinsames Aushalten… das war schon Trauerarbeit. Es war der Anfang von etwas, das nie ganz abgeschlossen wird, aber weitergeht. Schritt für Schritt. In Liebe.

Benjamin war unser erstes Kind. Unser erstes Wunder. Er hat uns Eltern gemacht. Auch wenn er nicht blieb.

Und weißt du was? Ich glaube, er wusste, dass er geliebt wird. Von der ersten bis zur letzten Sekunde.

Für alle, die Ähnliches erlebt haben:
Ihr seid nicht allein. Eure Geschichte ist wertvoll. Und eure Kinder sind es auch – egal, wie kurz sie bei euch waren. Sprecht darüber. Haltet euch fest. Und vergesst nie: Liebe kennt keine Wochenanzahl.

Abschlusswort

Wenn du diesen Text bis hierher gelesen hast: Danke.
Danke für deine Zeit, dein Mitfühlen und vielleicht auch dein eigenes Erinnern.

Diese Geschichte zu teilen, war kein leichter Schritt – aber ein wichtiger. Für uns. Für Benjamin. Und vielleicht auch für andere, die sich in ähnlichen Situationen wiederfinden und wissen sollen: Ihr seid nicht allein.

Wenn dich dieser Beitrag berührt hat, freue ich mich, wenn du ihn likest, kommentierst oder teilst – damit möglichst viele Eltern und Angehörige von Sternenkindern das Gefühl bekommen, gesehen und gehört zu werden.

Auch war dieser Text ein Anfang, denn es wird noch weitere Artikel rund um dieses Thema geben.

Herzensdank. 💫